Cadillac BLS : Auf dem Weg nach Europa

Verkaufsstart im April

Der Cadillac ist ein amerikanischer Superschlitten mit großen Heckflossen, meist in Pink, mit dem Elvis Presley einst nach Graceland fuhr. In alten Krimis sieht man ihn manchmal auch in Schwarz. Aber in jedem Fall ist er riesig, übermotorisiert, Sprit fressend, weich gefedert, unhandlich und bewegt sich auf der Straße wie ein Schiff in rauer See. So weit das Urteil, mit dem man im alten Europa der Mutter aller Straßenkreuzer oft begegnet. Dennoch will die General Motors-Tochter Cadillac in diesem Jahr noch 6.000 bis 7.000 Cadillacs in Europa absetzen. Der Cadillac BLS bei einem Einstiegspreis ab rund 30.000 Euro soll den Durchbruch einleiten.

Die Amerikaner wollen sich immerhin mit niemandem Geringerem als dem Audi A4 anlegen und das zu Preisen, die fünf bis zehn Prozent unter denen der Ingolstädter liegen. Dabei soll das Cadillac-Design mit seinen vielen Senkrechten, geraden Flächen, scharfen Kanten, einer hohen Gürtellinie und einem Respekt einflößenden Kühlergrill einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg bringen.

Mit diesem so ganz und gar dem Zeitgeist abschwörenden Auftritt will Cadillac die beiden Jahrzehnte vergessen lassen, in denen sich selbst die Amerikaner von Gods own Luxury Car abwandten. Deswegen wählte man ein Vorbild aus der modernen Militärluftfahrt, den Stealthbomber B117, der seiner eigenartigen Gestaltung wegen für das gegnerische Radar unsichtbar ist. Es ist allerdings ein Gerücht, dass Cadillacs nun für Radarfallen ebenfalls unsichtbar sind. Dies auch deshalb, weil der Cadillac BLS nicht zum Rasen reizt. Er könnte zwar, denn er hat viele Gene der europäischen General-Motors-Tochter Saab geerbt, aber seine Stärke ist eher das Reisen mit hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten als ein wilder Ritt über Passstraßen .

Beim ersten Aufgalopp in den Bergen rund um Nizza haben wir zwei Motor-Getriebe-Kombinationen erlebt: den Sechszylinder-Benziner mit 2,8 Liter Hubraum mit 188 kW / 255 PS und einem Sechsgang-Automaten sowie den Vier-Zylinder-Diesel mit einem Sechsgang-Handschalter mit 110 kW / 150 PS. Der Benziner hat ein maximales Drehmoment von 365 Newtonmeter (Nm) in einem außergewöhnlich breiten Drehzahlband (von 1800 Umdrehungen pro Minute bis 4500 U/min). Deswegen ist es unverständlich, warum das Getriebe stets nervös durch die Gänge schaltet. Der Diesel mit Handschalter bewältigt die Aufgaben viel gelassener.

Aber kann man sich einen Cadillac mit Handschalt-Getriebe vorstellen? Nun, man wird sich nicht nur daran, sondern auch an einen Cadillac mit Dieselmotor gewöhnen müssen. Der BLS ist der erste Cadillac mit einem Selbstzünder. Mehr als 60 Prozent der für 2007 in Europa geplanten 10.000 BLS-Verkäufe sollen Diesel sein.

Die Fahrleistungen fallen mit beiden Motoren gemessen besser aus als gefühlt. So erreicht der große Benziner mehr als 240 km/h, benimmt sich dabei aber gesittet. Das passt zum Cadillac-Anspruch neuer Prägung. Nur die Lenkung, die den Kontakt zur Straße etwas zu sehr ausfiltert und die zum Trampeln neigende Hinterachse erinnern noch an den alten Cadillac, allerdings im BLS nicht der zu weichen Federung wegen. Das Fahrwerk ist unerwartet straff ausgelegt für ein Fahrzeug, das der Luxus-Klasse zugerechnet werden will. Hier schlagen die Saab-Gene durch.

Kommen wir zum Kerngeschäft der Marke Cadillac, dem Thema Luxus. Raum ist der wahre Luxus. Den allerdings gibt es im B-Segment natürlich nicht im Überfluss. Hier gelingt Cadillac mit knapp 4,70 Metern Länge und einem Radstand von knapp 2,70 Metern auch mit Hilfe von Saab nichts Besseres als Audi. Also kann der Eindruck von Luxus nur über Design und Materialien entstehen. Die geschwungene Armaturentafel mit runden Zentralinstrumenten und die betonte Mittelkonsole erinnern ebenso an den aktuellen Saab wie das dreispeichige Lederlenkrad. Daran kann auch die große analoge Cadillac-Uhr wenig ändern. Warum auch? Die Gestaltung ist ja nicht von schlechten Eltern.

Voll zur Geltung kommt der Bereich bei Dunkelheit. Design und geschickte Beleuchtung entfalten dann ein besonders Flair von moderner Eleganz. Bei Nacht spiegeln sich auch die hell metallenen Umrahmungen der Lüftungsgitter nicht mehr in der Windschutzscheibe. Bei Tag treffen die Augen des Fahrers leider nur auf Plastik, wenn auch auf das der besseren Art. Die Lederverkleidung der Seiten beginnt erst unterhalb der Blicklinie. Dafür ist alles gut verarbeitet, auch der Kunststoff. In dieser Hinsicht gibt es am neuen Cadillac ebenso wenig auszusetzen wie an der Serienausstattung mit Front- und Seitenairbags, Klimaanlage, Geschwindigkeits-Regelanlage, Leichtmetallrädern der Dimension 16 Zoll, Bordcomputer und einem Audio-System mit sieben Lautsprechern.

Die Preisspanne für die Versionen mit dem Zwei-Liter-Benziner, dem 2,8-Liter-Sechszylinder und dem 1,9-Liter-Diesel reicht je nach Ausstattung und Zubehör von den bereits zitierten 30.000 Euro bis zu rund 50.000 Euro.

Über den Erfolg des BLS wird aber nicht so sehr der Preis entscheiden. Cadillac muss es gelingen, im alten Europa die hier nahezu unglaubliche Erkenntnis zu verbreiten, dass Cadillac die alten Highway-Schiffe längst hinter sich gelassen hat. Dieses Auto wird seine Fans aber unter denen suchen, die sich dem Zeitgeist nicht unterordnen und gleichzeitig ein Bekenntnis zu Prestige-Produkten für erstrebenswert halten. This is a free country.

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