Cadillac Escalade Hybrid - Europastart

Großes Auto, kleiner Landsitz, oder doch schon Kurhotel? SUV, V8 und dennoch "grün"? Der Escalade Hybrid ist voller Gegensätze.

Einen Blick auf die Modellpalette von Cadillac für Europa haben wir bereits geworfen, auffallend ist die Abwesenheit von Dieselmotoren. Auch für das große Flaggschiff namens Escalade gibt es keinen Selbstzünder. Seit es die großen Limousinen à la Fleetwood im Angebot der nobelsten Marke von General Motors nicht mehr gibt, spielt der Escalade die Rolle des Topmodells im Programm der heuer 98 Jahre alten Firma. Das zeigt die Rolle, die die SUVs in Nordamerika spielen und die sie in Europa nicht annähernd zu erfüllen vermocht haben.

Ein Geländewagen der Fünfmeter-Klasse, noch dazu mit Hybrid Motor: Solche Fahrzeuge spielen auf unserem alten Kontinent nur eine winzige Nebenrolle in der Zulassungsstatistik. Im Schnitt rechnen die Hersteller für ihre SUVs in Europa mit fünf bis zehn Prozent Verkaufsanteil am gesamten Verkauf. Für den Escalade wären dies Zahlen im einstelligen Bereich. In guten Jahren hat die Marke in ganz Europa etwa 2.500 Fahrzeuge jährlich abgesetzt. Also muss das Auto eine andere Funktion haben als die der Geldmaschine. Der Escalade Hybrid ist fahrender Werbeträger. Seine Aufgabe in Europa ist dieselbe wie die der japanischen und europäischen Hybride in Nordamerika: Er sagt: "Wir können das auch“. Damit wendet er sich an ein Publikum, das einen Siebensitzer mit Allradantrieb und viel Komfort fahren, aber wegen des ökologischen "Impacts" möglichst geringe Gewissensbisse haben will. Durch die Kombination von V8- und Elektromotor und durch die Fähigkeit des emissionsfreien Elektro-Betriebes bis 50 km/h erfüllt das 2,7 Tonnen schwere Schlachtschiff diesen Wunsch.

Die Marke Cadillac ist nach dem Gründer der Stadt Detroit benannt. Für Antoine Laumet de Cadillac wäre der Escalade sicherlich in Betracht gekommen, aber vermutlich nicht als Fahrzeug, sondern als Wohnsitz. Denn er ist ein Loire-Schloss auf Rädern. Das Modell gibt es seit 1998, die auf dem Chassis des Chevrolet Suburban ruhende aktuelle Generation seit 2005. Dass es nicht mehr nach der allerneuesten Cadillac-Mode gekleidet ist, kann man auf Anhieb sehen. Das Crossover SRX und das Coupé CTS sind viel kantiger modelliert und provozieren durch Falten und Sicken im Blech. Die schiere Größe bleibt: Manch germanische SUV-Kreation schaut neben ihm geradezu zierlich aus, und das will etwas heißen! Eine gehörige Portion Selbstbewusstsein gehört dazu, einen solchen Wagen zu fahren und sich offen zu seinen Motordaten zu bekennen: Sechs Liter Hubraum, verteilt auf die klassischen acht Zylinder in V-Anordnung, mit einem Output von 248 kW / 337 PS. Nur der Hinweis "Hybrid" bewahrt seine(n) EigentümerIn - Damen verfallen, wie man aus Amerika hört, dem Machismo-Charme des Escalade recht gerne - vor dem Stigma des Umwelt-Rowdys. Glücklich macht es wiederum, im Verbrauchsdisplay während der Fahrt die Zahl "0" zu sehen. Denn das geht wirklich: Das patentierte "Two Mode"-Hybridsystem erzeugt die Energie für das Aufladen der 300 Volt-Batterie selbst mittels Rekuperation beim Bremsen oder beim Bergabfahren. Die in die Akkus eingespeiste Energie treibt dann wieder die E-Motoren an. Über so profane Dinge wie die Zeit für den Sprint 0-100 oder die Höchstgeschwindigkeit gibt das Cadillac-Datenblatt keine Auskunft. Aber es gibt ja Referenzliteratur: Wer im Messekatalog unserer Schweizer Kollegen der "Automobilrevue" vom Genfer Autosalon nachschaut, liest die Werte 165 km/h /Vmax) und 7,3 Sekunden (0-100).

Der Spritkonsum soll dank der Hybridtechnik nach EU-Norm 11,1 Liter je 100 Kilometer nicht überschreiten. Das wäre respektabel, jedoch zeigte die kurze Testfahrt mit verhaltenen Beschleunigungs- und größtmöglichen Rekuperationsphasen, dass in der Praxis eher mit 13 bis 15 Litern zu rechnen ist. Trotzdem bleibt die Reichweite zumindest ordentlich, denn der Tank fasst mehr als 90 Liter. Die üppigen Dimensionen des Innenraums lernen die Insassen bald zu schätzen. Zwischen den Vordersitzen ist eine Ablagebox von der Größe eines Trolleykoffers angebracht, das Aus- und Einsteigen wird durch elektrisch ausfahrbare Trittbretter erleichtert. Allgegenwärtig ist eine gediegene Mischung aus Lederpolstern, Holzapplikationen und flauschiger Auslegeware, die den Aufenthalt an Bord zum Kurzurlaub in der Wellness-Lounge werden lässt. Allerdings muss man sich auch mit Unzulänglichkeiten arrangieren, wie etwa der dürftigen Navigations-Grafik, die bei der Umstellung des Maßstabes von 400 auf 500 Meter durchaus auch ein komplettes 4-Block-Kernkraftwerk einfach verschwinden lässt. Aber wer braucht Kernkraft? Unseren Strom machen wir uns selbst, ha! Der Cadillac Escalade 6.0 Hybrid Automatic Sport Luxury, um ihn einmal bei seinem vollen Namen zu nennen, ist mit einem Preis von 100.782 Euro das teuerste Fahrzeug im Europaprogramm der Luxusmarke. Und trotzdem womöglich noch ein Sparpaket; denn wer sich für ihn interessiert, weiß auch, dass eine vergleichbar ausgestattete Allrad-Großraumlimousine aus deutscher Produktion mit mindestens 130.000 Euro honoriert werden will.

mid/afb, jg