Vorstellung: Lancia Ypsilon

Der Ypsilon soll Lancia im Premium-Segment der Kleinwagenklasse neue Kunden bescheren. Mit sparsamen Motoren möchte Lancia punkten, ob die Qualität der Fahrzeuge für den Premium-Anspruch passt, bleibt aber abzuwarten.

Klar formuliert ist der Anspruch: "Der neue Lancia Ypsilon ist als kleines Flaggschiff der Marke konzipiert. Er bietet anspruchsvolle und innovative Technologien, die ihn aus der Masse der City-Cars herausheben". So steht’s im Pressetext. Jetzt war bei der Fahrvorstellung des Gelobten in Hamburg Gelegenheit, Kontakt mit dem Auto aufzunehmen und dabei auch zwei sehr unterschiedliche Motorisierungen kennenzulernen.

Stilistisch nimmt das kleine, 3,84 Meter lange Auto Anleihen bei seinen größeren Geschwistern. Ein Ypsilon will aber nicht nur das besondere Gesicht in der Menge sein. Auch sein Innenleben soll den vier oder auch schon mal fünf Insassen vermitteln, dass ein Lancia eben anders ist. Er legt es darauf an, Emotionen zu wecken. Der Neue kann im Vergleich mit seinen drei Vorgängern mit handfesten Nutzwertzuschlägen aufwarten. Erstmals gibt es den kleinsten Lancia auch als Fünftürer, die Insassen haben mehr Beinfreiheit, und das Gepäckraumvolumen hat etwas zugenommen: 245 Liter.

Komplett überarbeitet wurde das Fahrwerk. Lancia hebt hervor, dass das ultra-hochfeste Material der vorderen unteren Querlenker im Ypsilon, ungefederte Massen reduzierend, Europapremiere bei Fahrwerkskomponenten hat. Und: Um die Seitenneigung der Karosserie beim Durchfahren von Kurven aufzuhalten, wurde der vordere Querstabilisator über Koppelstangen an den Stoßdämpfern angelenkt.

Mit einer motorischen Innovation des neuen Ypsilon setzt Lancia ein besonderes Achtungszeichen. Zur Wahl stehen für das Auto zwei Benzinmotoren und ein Dieseltriebwerk. Der Selbstzünder geht mit 1,3 Liter Hubraum und 70 kW/95 PS zu Werke, der "große" Benziner gewinnt aus vier Zylindern und 1,2 Liter Hubraum 51 kW/69 PS. Er bekommt aber im Zwei(!)zylinder-Turbomotor Twin Air einen selbstbewussten Konkurrenten, der aus 0,9 Liter Hubraum respektable 63 kW/85 PS zaubert.

Fiats Rückbesinnung auf den Zweizylindermotor, mit dem "eigentlich schon immer" italienische Kleinwagen befeuert wurden, kam nicht überraschend zu Zeiten, in denen von Autoherstellern "Downsizing"-Vorzüge gepriesen werden. Für beeindruckende Leistung und erstaunliche Genügsamkeit steht der TwinAir ohne Zweifel. Im Vergleich zum 1,2-Liter-Benziner steigert der innovative, inzwischen mehrfach ausgezeichnete Zweizylinder die Motorleistung immerhin um 23 Prozent und das Drehmoment gar um 42 Prozent. Er baut zudem kompakter, ist leichter und verbraucht 16 Prozent weniger Kraftstoff, nämlich durchschnittlich nur 4,1 l/100 km. Für einen Benziner ist die Verbrauchsangabe geradezu sensationell. Am Spareffekt beteiligt ist das serienmäßige Start-Stop-System.

Verständlich, dass jährlich 450.000 Exemplare dieses genügsamen Zweizylinders vom Band laufen sollen. Sie helfen, den CO2-Ausstoß von Flotten zu drücken. Technische Innovationen wie die elektrohydraulische MultiAir-Steuerung der Einlassventile, die sich der Belastung des Motors anpasst, verschaffen dem Konzept TwinAir verdiente Anerkennung. Extremes Downsizing, wie es der Zweizylinder in Gang setzte, wird aber auch Grenzen deutlich machen und erkennen lassen, dass unter der Hubraumminimierung der Markenanspruch leiden kann.

Der Fahreindruck, den der neue Lancia Ypsilon mit dem TwinAir-Aggregat hinterließ, vermittelte jedenfalls auch die Erkenntnis, dass der Zweizylinder Anfahrphasen ziemlich geräuschvoll bewältigt. Aus dem Stand Fahrt aufzunehmen, geht akustisch nicht so elegant vonstatten, wie man es von einem Auto mit dem Lancia-Markenzeichen eigentlich erwartet. Die Geräuschkulisse, die der Sparzwerg bis in den Innenraum dringen lässt, will nicht so recht zum anspruchsvollen Ambiente des neuen Ypsilon passen. Einem Diesel nimmt man nicht übel, wenn er deutlicher auf sich aufmerksam macht, aber einem Benziner wird solche Gnade grundsätzlich nicht erwiesen.

Die zur Wahl stehenden beiden Vierzylinder müssen vermutlich nicht befürchten, von Ypsilon-Käufern ignoriert zu werden. Die dürften, von einer Probefahrt mit dem Zweizylinder zurückgekehrt, fragen, ob es dem "kleinen Flaggschiff" (Lancia) vielleicht nur an einer angemessenen Portion Dämmmaterial fehlt, um auch per TwinAir ganz Lancia-like daherzukommen …

auto-reporter.net/Wolfram Riedel