Testbericht: Der neue Honda Civic Type R

Nach 25 Jahren Type R baut Honda nun erstmals einen Civic Type R für den weltweiten Vertrieb. Wir haben den martialischen Samurai genauer unter die Lupe genommen.

Zugegeben, eigentlich sagt bereits die Modellbezeichnung alles über dieses Fahrzeug aus, aber dass die Ingenieure von Honda nicht mit leeren Worthülsen spielen, sieht man auf den ersten Blick. An aerodynamischen Details wird nichts ausgelassen: Lufthutze hier, Lufteinströmer da, verbreitert und tiefer - sodass auch die Herren der Exekutive an der Zulassungstauglichkeit zweifeln - bis hin zu dem Mega-Heckspoiler mit Frühstücksbarqualität. Wir kennen zwar den Designer nicht persönlich, sind uns aber ganz sicher, er hat eine Leidenschaft für Spielkonsolen und Actionfilme mit getunten Fahrzeugen. Denn ganz genauso sieht der Civic Type R aus, und nachdem man wie bereits angedeutet davon ausgehen kann, dass man bei jeder (wirklich jeder) Verkehrskontrolle fünf Minuten Benzinplaudern einrechnen darf, ist es fein, wenn alles mit rechten Dingen zugeht und die Teile ordentlich eingetragen sind.

Allein die 20-Zöller, die ebenfalls serienmäßig in unserem Fall die Winterschuhe aufgezogen haben, machen viel Wind. Der wuchtige Heckspoiler scheidet zwar die Geister, wir sind aber der Meinung, wer richtig Leistung unter der Haube hat, darf ruhig ein bisschen protzen. Bei der Tieferlegung empfiehlt es sich, sittsam über Schweller zu übersetzen. Das ganze Fahrzeug strahlt durch seine harten Linien, Ecken und Kanten eine derartige Aggressivität aus, dass man mit entsprechender Erwartungshaltung einsteigt.

Auch der Innenraum wurde ganz auf Rennmaschine getrimmt. Sportliche Dekorelemente im Carbonlook mit roten Zierleisten setzen den feschen Auftritt von außen fort. Keine Tastenflut oder eine mit Schaltern überbordende Mittelkonsole. Nichts da, nur die Basics - damit man sich auf das Fahren wirklich konzentrieren kann. Ein wenig Spieltrieb darf bei der Konfiguration des Bordcomputers bzw. der Armaturenanzeigen schon sein. Je nachdem, ob man den Civic im Alltag oder auf der Rennstrecke bewegt, kann man zwischen "normalen Daten" wie Restkilometer oder Durchschnittsverbrauch und Track-Features wie Beschleunigung, Stoppuhr und idealen Schaltzeitpunkt wählen.

Für die echte Alltagstauglichkeit hat man im Civic Type R auch nicht auf Details wie eine induktive Ladeschale, Honda Connect Navigation mit Bluetooth-Freisprecheinrichtung, 2-Zonen-Klimaaautomatik, Premium-Soundsystem mit 11 Lautsprechern oder Smart Entry und Start vergessen. Das Herz des Racers lässt das Renngestühl in Form von roten Type R Schalensitzen höher schlagen. Diese sind sowohl in der Neigung als auch in der Höhe manuell verstellbar, bieten aber wie richtige Motorsportsitze eine perfekte Oberschenkelauflage und den nötigen Seitenhalt für zügiges Kurvenfahren. Die Rennmaschine wird im Innenraum durch Aluminium-Sportpedale und einen ebensolchen Schaltknauf komplettiert. Letzterer liegt gut in der Hand, und die kurzen knackigen Schaltwege lassen uns die Eigenschaften von Metall bei Hitze und Kälte rasch vergessen.

In Sachen Übersichtlichkeit hat man beim neuen Honda Civic Type R zwar etwas nachgebessert, sogar die Position des Heckspoilers schränkt bei unserer gewählten Sitzposition die Sicht nach hinten nur dezent ein, trotzdem freuen wir uns über die serienmäßige Einparkhilfe vorne und hinten, die sogar durch eine Rückfahrkamera unterstützt wird. Letztere ist gerade beim Schrägausparken praktisch, um den Querverkehr im Auge zu behalten. Schließlich will man ja länger Freude an seinem Spielzeug haben. Apropos Freude: Diese kann man selbstverständlich im fünftürigen Civic gerne mit drei anderen Mitfahrer/innen teilen. Die Auslegung als Viersitzers hat uns zunächst etwas überrascht, war aber eine gute Entscheidung, da auf diese Weise im Fond alle Mitreisenden genug Platz haben und sich nicht eng aneinanderkuscheln müssen. Für einen Kompaktsportler beinahe großzügig wurde auch der Kofferraum dimensioniert. So freut man sich grundsätzlich über 420 Liter Ladekapazität, die bis auf 786 Liter erweitert werden kann.

Nachdem man sich nun Sitz und Lenkrad fertig eingerichtet hat, wird der Vierzylinder mit knapp zwei Litern Hubraum per Startknopf zum Leben erweckt. Wer nun auf ein sattes Röhren aus der dreiflutigen Auspuffanlage wartet, tut dies vergebens. Sein Spruch ist schon etwas markiger, tritt aber fast dezent in den Hintergrund. Nur während der Autofahrt auf Autobahnen merkt man in der zweiten Reihe die Lautstärke des Type R. Doch der Honda muss gar nicht brüllen, denn bei dem 320 PS-Aggregat reichen genau 5,7 Sekunden, um zu überzeugen. Dies ist die Zeit, die der Type R auf 100 km/h braucht. Und bei den 400 Nm Drehmoment bedarf es gar keines großen Gefühls beim Treffen des idealen Schaltzeitpunkts, denn unser japanischer Samurai lässt es auf der gesamten Drehzahlbreite krachen.

Wie schon erwähnt, lässt sich das 6-Gang-Getriebe sportlich knackig schalten, das serienmäßige Rev Match System gibt beim Schaltvorgang automatisch Zwischengas. Damit die Kraft nicht, wie bei Fronttrieblern üblich, in Rauch aufgeht, verfügt der Honda über ein responsives Schraubendifferential über das der Achsantrieb übertragen wird. Diese Neuerung verschafft dem aktuellen Type R am Nürburgring immerhin 7 Sekunden Vorsprung gegenüber dem Vorgänger. Überhaupt tragen die Verbesserungen am Fahrwerk, sei es die Doppellenker-Vorderradaufhängung oder die Mehrlenker-Hinterachse, nicht nur zu einem angenehmeren Handling, sondern zu einer verbesserten Stabilität des Fahrzeugs vor allem bei höheren Geschwindigkeiten bei.

Ebenfalls serienmäßig mit an Bord ist ein adaptives Dämpfersystem. Dieses macht vor allem das Fahren auf unebenen Untergründen mit dem Civic deutlich komfortabler. Es ist auch eines jener Parameter (neben Lenkkraft, Gasannahme und Schaltgefühl), die mittels der drei Fahrmodi Sport, R+ und Comfort konfiguriert werden können. Wir waren während unserer Testzeit froh, besonders auf Langstreckenfahrten den Comfort-Modus zur Verfügung zu haben. Doch standardmäßig bleibt der Type R in der Sport-Einstellung. Ebenfalls eine Seltenheit, denn meist lassen die Hersteller den Standard bei Comfort - aber die Japaner wissen halt, was uns Spaß macht.

Spaß macht mit unserem Kompaktsportler auch der Besuch bei der Tankstelle. Hier überzeugt der Kraftprotz auf ganzer Linie. Dem angegebenen Durchschnittsverbrauch von 7,8 Litern standen wir um nichts nach. Hut ab, bei dieser Leistung. Kleiner Wermutstropfen - ROZ 98, wohlgemerkt.

Mit dem neuen Honda Civic Type R hat man nicht nur den schnellsten Vorderradantrieb der Nordschleife, sondern wirklich ein Gerät, das absolut alltagstauglich ist. Er hat Kraft und Leistung ohne Ende, die er über das gesamte Drehzahlband homogen einzusetzen weiß. Ihn zu bewegen macht wirklich Freude, sodass wir uns von ihm nur ungern trennen. Preislich startet der Type R in der GT Ausstattung bei 46.690 Euro, als Aufpreis kommt bei unserem Testauto nur die weiße Premiumlackierung mit 545 Euro dazu.

Was uns gefällt:

Leistung, Auftritt, Verbrauch

Was uns nicht gefällt:

Schlechte Rundumsicht ohne Assistenten, Liebling der Exekutive

Testzeugnis:

Ausstattung Sicherheit: 1
Ausstattung Komfort: 1-
Verbrauch: 1
Fahrleistung: 1
Fahrverhalten: 1
Verarbeitung: 1
Platzangebot Fahrer/Beifahrer: 1
Platzangebot Rückbank: 1
Kofferraum: 1-
Ablagen: 1-
Übersichtlichkeit: 3