Testbericht: Kia e-Niro Long Range

Ein Stromer mit einer Reichweite eines Verbrenners. Kia verleiht der E-Mobilität mit dem e-Niro Alltagstauglichkeit.

Gleich eines vorweg: In diesem Bericht finden Sie keine Lobgesänge auf Elektrofahrzeuge und ihre Umweltfreundlichkeit. Auch wie dies auf lange Sicht mit Stromverbrauch, Lademöglichkeiten etc. funktionieren soll, lassen wir beiseite. Warum viele Menschen noch nicht von Elektroautos überzeugt sind, liegt in erster Linie daran, dass oft Reichweite und Lademöglichkeit nicht passen. Glücklich ist, wer ein Eigenheim mit persönlicher Stromzapfsäule besitzt, aber was ist mit den vielen, die zum Beispiel in Städten in einem älteren Wohnbau wohnen? Ev. sogar mit Garage, aber ohne Stromanschluss? In diesen Fällen sind Elektrofahrzeuge nicht einmal eine Überlegung wert. Kia's e-Niro aber schon.

In unserem Fall ist es der e-Niro mit Long Range-Motor, der im Gegensatz zu seinem Bruder 204 statt 136 PS leistet und laut Kia sage und schreibe 455 km Reichweite schaffen soll. Preislich startet dieser Ökokraftprotz bei 49.590 Euro. Dabei haben wir die Topausstattung Platin an Bord, die keine Wünsche an Komfort offen lässt. Einzig die weiße Pearllackierung und das elektrische Glasschiebe-/Hubdach erhöhen den Testwagenpreis auf 50.790 Euro.

Der Kia e-Niro heißt uns bereits willkommen, noch bevor wir die Türschnalle berühren, denn dank schlüssellosem Zutritt klappen die elektrischen Seitenspiegel schon vorher auf. Erst einmal Platz genommen, merkt man sofort den ausgesprochen angenehmen Sitzkomfort der schwarzen Ledersitze. Der Fahrersitz ist nicht nur 8-fach elektrisch verstellbar und besitzt darüber hinaus eine zweifach elektrisch verstellbare Lendenwirbelstütze, seine Einstellung kann zudem für zwei Fahrer abgespeichert werden. Zusätzlich gibt es für beide Vordersitze die Möglichkeit, sie dreistufig zu beheizen und zu belüften, was gerade im Sommer Hemden und Blusen nicht ganz so stark verknittern lässt.

Die serienmäßige Echtlederausstattung in unserem e-Niro wurde mit blauen Ziernähten versehen, die dem Gesamtbild des Interieurs eine sehr edle Note verleihen, weil sie zu den blauen Akzenten außen sowie rund um die Lüftungsausströmer passen. Überhaupt wurde der Innenraum optisch sehr ansprechend gestaltet und beherbergt einige nette Features. So zum Beispiel die Gestaltung der Mittelkonsole. Die runde Steuerscheibe statt einem Gangwahlhebel wurde quasi frei schwebend verbaut, um darunter Platz für eine große Ablage zu gewinnen. Für induktiv zu ladende Smartphones gibt es eine kleine Extraablage. Hier befindet sich auch ein USB-Anschluss. Fädelt man ein USB-Kabel durch den kleinen Auslass in der großen Mittelkonsole, so kann man ebenfalls sein Gerät laden oder mit dem Fahrzeug verbinden. Selbstverständlich besitzt der Kia auch eine Mittelarmlehne, die - wer hätte es gedacht - ebenfalls eine USB-Lademöglichkeit beinhaltet.

Die üblichen Steuerelemente für die Klimaanlage wurden um einige speziell für den Stromer entworfene Bedienelemente erweitert. So findet man zum Beispiel einen Driver only-Taster, der den Luftstrom nur auf den Fahrer beschränkt. Zentraler Blickfang ist das 8 Zoll große Farbdisplay mit Touchscreen, das nicht nur das Bild der Rückfahrkamera, sondern auch sämtliche Informationen über den Ladestatus bzw. Restakkustand sowie die üblichen Multimedia- und Navigationssteuerelemente beinhaltet. Futuristisch gestaltet wurden auch die Armaturenanzeigen. Sie geben Aufschluss über die verfügbaren Restkilometer und den Ladestand. Natürlich findet man hier auch die klassischen Elemente wie Tachometer, Kilometerstand und ein Informationsdisplay.

Der Crossover bietet genügend Platz für fünf Personen. Mitreisende kommen auf der Rückbank ebenfalls in den Genuss einer Sitzheizung. Außerdem gibt es eine vollwertige 230 V-Steckdose unter den Luftausströmern. In Sachen Sitzkomfort gibt es nur bei Vollbelegung geringe Einschränkungen. Knie- und Beinfreiheit sind aber durchaus ausreichend. 451 Liter umfasst die Ladekapazität des Kofferraums, in dessen Doppelboden sich die Aufbewahrung der Ladekabel befindet. Verglichen mit den beiden Hybrid-Versionen des Niro verfügt unser Elektromodell über die größte Ladekapazität. Klappt man die zweite Sitzreihe um, so kann man 1.405 Liter Ladegut verstauen.

Wie bereits erwähnt, lässt die Platin-Ausstattung keine Wünsche offen. LED-Scheinwerfer, Adaptiver Tempomat, Alupedale und Alu-Einstiegsleisten, JBL-Soundsystem sowie ein umfassendes Sicherheitspaket gehören serienmäßig dazu. Von den Assistenzsystemen finden sich beim Kia e-Niro unter anderem ein Spurfolge-, Spurhalte-, Fernlicht-, Totwinkel- sowie ein Querverkehrsassistent. Unser Testfahrzeug besitzt darüber hinaus ein autonomes Notbremssystem mit Fußgängererkennung und noch einiges mehr, das den Rahmen hier sprengen würde.

Jeder, der schon einmal in den Genuss des Fahrens mit einem Elektroantrieb gekommen ist, weiß die volle Leistung ohne ideale Drehzahl sofort zu schätzen. Im Sport-Modus, der natürlich am meisten an der Batterie zehrt, kommt der Fahrspaß auf keinen Fall zu kurz. Leider kreuzten sich unsere Wege nicht mit einem Sportwagen, denn da hätten wir es gerne auf einen Vergleich ankommen lassen. Den Sprint auf 100 km/h schafft unser Elektroauto nämlich in 7,8 Sekunden. Doch auch im ECO-Modus bewegt man den e-Niro locker-flockig bis 167 km/h Spitze. Lediglich der ECO+ Modus empfiehlt eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h. In diesem Modus schränkt der Kia sämtliche Stromverbraucher ein, um den Energiebedarf minimal zu halten.

Apropos Energie. Die meistgestellte Frage bei Elektroautos: Was verbraucht der eigentlich wirklich? Nun der Bordcomputer zeigt uns den Verbrauch in kWh an. 18,5 kWh auf 100 km sagen den meisten nichts, aber das war zum Beispiel das Ergebnis einer Testroute wie wir sie im Alltag mit jedem anderen Auto auch machen - ohne besonders ökonomische Fahrweise. Geht man davon aus, dass im Schnitt je nach Vertrag 1 kWh Strom ca. 20 Cent kostet, so zahlt man für 100 km 3,7 Euro. Bei den Ladestationen ist der Strom jedoch teurer, was man ohne Heimlademöglichkeit beachten sollte.

Im Prinzip waren wir mit dem e-Niro die gesamte Testzeit so unterwegs als würden wir unser herkömmliches Familienauto fahren. Innerhalb von 400 km kommt man sicher zu einem Einkaufszentrum oder einer anderen öffentlichen Zapfsäule. Im Schnellladeverfahren hat man in knapp einer Stunde 80 % wieder aufgeladen. Somit geht sich sogar eine längere Urlaubsfahrt aus, wenn diese gut geplant ist. Und so gibt es selbst für jene, die keine Ladestation zuhause haben, keine Ausrede mehr, ein Elektroauto zu fahren. Vor allem, wenn wie bei unserem Kia e-Niro genügend Fahrspaß unter der Haube steckt.

Was uns gefällt:

Motorleistung, Reichweitenanzeige stimmt, absolut alltagstauglich

Was uns nicht gefällt:

Unterschiedliche Ladesysteme bei E-Fahrzeugen, trotz super Ausstattung kein Schnäppchen

Testzeugnis:

Ausstattung Sicherheit: 1
Ausstattung Komfort: 1
Verbrauch: 1
Fahrleistung: 1
Fahrverhalten: 1
Verarbeitung: 1
Platzangebot Fahrer/Beifahrer: 1
Platzangebot Rückbank: 1-
Kofferraum: 2
Ablagen: 1
Übersichtlichkeit: 1-