Airbag-Westen für Motorradfahrer überzeugen im Crashtest

Der ÖAMTC hat zwei Airbag-Westen für Motorradfahrer getestet, beide Westen können das Verletzungsrisiko deutlich mindern.

Beim Pkw gehören passive Sicherheitssysteme wie Airbags schon seit vielen Jahren zum Standard und werden laufend verbessert. Anders sieht die Entwicklung bei Motorrädern aus. "Weil das Unfallgeschehen bei Zweirädern sehr vielfältig ist, sind Sicherheitssysteme direkt am Motorrad nur eingeschränkt wirksam. Biker werden oft unvorhersehbar und unkontrollierbar von ihrem Fahrzeug geschleudert", erklärt ÖAMTC-Techniker Steffan Kerbl. Gerade weil es bei Unfällen zur Trennung von Fahrzeug und Fahrer kommt, ist ein Airbag-Schutz direkt am Körper des Bikers sinnvoll.

In Zusammenarbeit mit seinen europäischen Partnerclubs hat der ÖAMTC zwei Airbag-Westen (Dainese D-air Street und Helite AirNest jacket) einer strengen Prüfung unterzogen. "Wie bereits bei einem ÖAMTC-Test im Jahr 2010 festgestellt wurde, können Airbag-Schutzsysteme die Folgen bei mittelschweren Motorrad-Unfällen deutlich mildern", hält Kerbl fest. "Die Hersteller haben die Produkte seit dem letzten ÖAMTC-Test verbessert. Speziell die Aufblasgeschwindigkeit der Dainese D-air Street hat alle Erwartungen der Tester übertroffen."

Bei Motorradunfällen ist der Brustkorb der Biker dem zweithöchsten Verletzungsrisiko (nach dem Kopf) ausgesetzt. Starre Brustpanzer können die Stoßenergie meist nur unzureichend absorbieren und schränken die Beweglichkeit zudem stark ein. "Die vom ÖAMTC getesteten Airbag-Westen werden über der vorhandenen Schutzkleidung getragen und sind ein guter Kompromiss zwischen Schutzwirkung und Ergonomie", so der ÖAMTC-Experte. Besondere Bedeutung kommt bei den Airbag-Systemen am Körper des Fahrers der Crasherkennung zu. Nur wenn das System "erkennt", dass ein Crash vorliegt und entsprechend schnell, also binnen Millisekunden, reagiert, kann es überhaupt von Nutzen sein.

Bei konventionellen Airbag-Westen wie der Helite AirNest jacket, die im ÖAMTC-Test mit "gut" bewertet wurde, funktioniert die Unfallerkennung mechanisch. Dazu muss vor jeder Fahrt eine Reißleine am Motorrad fixiert werden. Wird der Fahrer vom Bike getrennt, löst der Airbag aus und bläst sich innerhalb von ca. 250 Millisekunden vollständig auf. "Das ist sehr schnell und ungefähr vergleichbar mit dem Testsieger von 2010", sagt Kerbl. "Damit kann zumindest ein Sekundäranprall gemildert werden. Um gegen den Primäranprall am Unfallgegner wirksam zu sein, reicht die Auslösedauer allerdings nicht aus." Dafür ist die Weste mit auffälligem Design und Reflexionsstreifen ausgestattet, was ein großer Bonus für die Sichtbarkeit ist.

Die mit "sehr gut" bewertete Dainese D-air Street punktet im ÖAMTC-Test mit einer überragend schnellen Auslösung. Möglich wird das durch den Verzicht auf eine Reißleine zugunsten einer innovativen Funk-Auslösung. Bereits nach rund 45 Millisekunden, also rund einem Fünftel der Zeit, die ein Reißleinen-System benötigt, ist der Airbag vollständig aufgeblasen. "Zu diesem Unfallzeitpunkt beginnt der Fahrer gerade erst, seine Position auf dem Motorrad nach vorne zu verlagern. Die Dainese D-air Street kann also bereits den ersten Aufprall entscheidend abmildern", zeigt sich der ÖAMTC-Techniker erfreut. Nachteile des Systems: Neben dem höheren Preis ist eine regelmäßige Überwachung der Akkuladung erforderlich. Außerdem ist der Airbag nicht mehrfach verwendbar, eine Instandsetzung durch den Hersteller ist notwendig, wenn das System einmal ausgelöst hat.

Auch wenn der ÖAMTC-Crashtest zeigt, dass Airbag-Westen die Unfallfolgen für Motorradfahrer deutlich abmildern können, ortet ÖAMTC-Experte Kerbl in einigen Bereichen Verbesserungsbedarf. "Beispielsweise sollte das Aufladen der Akkus bei einem Funksystem auch über die Bordbatterie möglich sein", so der ÖAMTC-Techniker.

Zur Verbesserung des Handlings und Schaffung einer besseren Akzeptanz bei Bikern sollten Airbag-Systeme künftig in die übliche Schutzkleidung integriert werden. "Generell ist eine Vergrößerung der Abdeckungsbereiche des Airbags anzustreben. Insbesondere im Kragenbereich sollte zum Schutz der Halswirbelsäule eine bessere Stabilisierung des Helms sichergestellt werden", hält der ÖAMTC-Experte fest.

Eine Airbag-Weste ist kein Freibrief, um auf weitere Schutzkleidung zu verzichten. "Auch wenn die Systeme sehr gut funktionieren: Die wichtigsten Sicherheitsfaktoren bleiben weiterhin die vollständige passive Schutzausrüstung, also Helm, reißfeste Hose und Jacke, Stiefel, Handschuhe sowie Rückenprotektor", stellt Kerbl klar. Eine vorausschauende, berechenbare Fahrweise und die Beherrschung des Motorrads sollten selbstverständlich sein.

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