Was länger währt, wird am Ende besonders gut. Das kann man BMWs Wiedereinstieg ins Roller-Segment bescheinigen, ohne in den Verdacht der Lobhudelei zu geraten. Bekanntlich war die Motorrad-Abteilung der Bayern im vergangenen Herbst mit gleich zwei brandneuen Maxi-Scooter-Modellen namens C 600 Sport und C 650 GT auf der großen Zweiradmesse in Mailand (EICMA) groß aufgetreten. Groß - auch - im Sinne von Dimension. Nach dem nicht so recht geglückten Projekt des 125er-Dachrollers C1 des Jahres 2000 (den es dann auch als nicht viel überzeugenderen 200er gab) stieg BMW gleich in der großen (Roller-)Hubraum-Klasse neu ein, wieder mit dem C in der Typenbezeichnung. Das gleich mit zwei Modellen: dem sportlichen C 600 Sport und dem touristischen C 650 GT. Wobei in beiden das gleiche 650 ccm-Triebwerk steckt.
Nun war als Starttermin - logischerweise - das Frühjahr, der 14. April, vorgesehen gewesen. Ob die Verzögerung aus Gründen des Bekenntnisses zur Perfektion - im Sinne typisch deutscher Gründlichkeit - oder wegen anderer Dinge zustande gekommen ist, ist nicht (mehr) wesentlich: Sowohl der C 600 Sport als auch der C 650 GT sind jetzt auslieferfertig.
Knapp vor dem offiziellen Marktstart-Termin für Österreich, am 28. Juli, haben wir uns fürs erste den sportlicheren der beiden Roller-Zwillinge zu Gemüte geführt. Und vom Start weg festgestellt, siehe oben, dass BMWs Roller-Debüt keine Fingerübung ist, sondern eine gelungene Sache. Die mehr als Respekt verdient.
Respekt allerdings gebietet die Statur des C, egal, ob Sportler oder GT (was für Granturismo steht). Selbst wenn der S schlanker ist, aufgrund der knapper geschnittenen und enger anliegenden Karosserie nebst recht spitz zulaufendem Heck: Es stehen da fahrfertige 249 Kilo, aufgeteilt auf 2.155 mm Länge und 799 mm Breite. Bei der ersten Sitzprobe zeigt sich, wie breit BMW das Ergonomie-Spektrum gefächert hat - unterdurchschnittlich großen Menschen passt die Position genauso gut wie Gardemaß-Kandidaten. Auf dem 810 mm hohen Sattel sitzend ist der flache Lenker genau richtig weit weg beziehungsweise nahe, um der sportlichen Auslegung Glaubhaftigkeit zu verleihen. Auch finden kürzere sowie längere Beine ergonomisch richtig Platz auf den Trittbrettern und Raum hinter der Frontschürze.
So etwas wie eine Überraschung ist der Sound des prompt anspringenden Motors: kernig und nicht roller-like, selbst mit serienmäßigem Auspuff-Endtopf. Auch ist der Response des Triebwerks im Anrollen spontan genug, um sich in den Verkehr einzufädeln. Beim ersten Ampelstart muss man quittieren, dass der 647 ccm-Parallel-Twin (die Typenbezeichnung C 600 täuscht, auch der 600er ist ein 650er) im Verbund mit dem stufenlosen CVT-Getriebe erst einmal eine Nachdenkpause einlegt, bevor er losprescht, dass die eventuell nicht zu einem Zopf gebundenen Haare waagrecht im Fahrtwind stehen. Es ist des Vortriebs erst ein Ende, wenn der Zeiger auf der Tacho-Skala bei der 180er-, der Endmarke, ansteht. Das ist aber etwas für die gesperrte Strecke, auf welcher BMWs Roller-Debütant keine schlechte Figur machen dürfte: Das Fahrwerk erweist sich unempfindlich gegen alle Untergrund-Ungereimtheiten, die mit serienmäßigem ABS bestückten Bremsen beißen zwar nicht supersportlich knackig zu, überzeugen jedoch mit glasklarer Rückmeldung und konstantem Druckpunkt - wenn man den Vorder- und Hinteranker gefühlvoll zusammenarbeiten lässt.
Nach der Stadt- und Landautobahn-Etappe im Hausstrecken-Winkelwerk angekommen, entpuppt sich der sportliche C als verkapptes Motorrad - mit enormer Stabilität, Agilität, Einlenkpräzision sowie Leichtfüßigkeit in engen Kehren und schnellen Wechselkurven. In der frühabendlichen Rush Hour muss zwar zur Kenntnis genommen werden, dass 1.591 mm Radstand und 15-Zoll-Räder im Verein mit zweieinhalb Zentnern Gewicht nicht das Beweglichkeits-Potenzial eines Klein-Rollers bringen können, doch ist das Gefährt immer noch schmal genug, um elegant zwischen den Auto-Kolonnen durchzuschwingen.
Mit diesem Gesamt-Paket hat BMW nicht bloß vom Fleck weg ein Roller-Gefährt mehr als auf Augenhöhe des Mitbewerbs auf die Räder gestellt. Wie von den Deutschen gewohnt, fließt auch die eine und andere Innovation in die in München neue Fahrzeugklasse ein. Siehe zum Beispiel das Stauraum-Konzept namens FlexCase: Das ist ein ausklappbarer Laderaum aus aufschneid-sicherem Gewebe im Heck des C-Sportlers, in dem zwei Integralhelme verstaut werden können. Der funktioniert allerdings nur in geparktem Zustand. In fahrendem und in stehendem Zustand nehmen die beiden Staufächer in der Frontschürze allerlei Kleinzeugs auf. Das linke ist versperrbar. Um die Transportgut-Kapazität dann noch weiter zu erhöhen müsste man zu einem Topcase (aus dem Zubehörprogramm) greifen. Weiteres Novum ist eines, das sich die Bayern mit den Italienern teilen (Piaggio): eine in den Seitenständer integrierte, aufs Hinterrad wirkende Feststellbremse, die sich beim Ausklappen aktiviert. Damit kann einerseits die Riesen-Rolle nicht davonrollen, andererseits muss man nun beim manuellen Rangieren die seitliche Stütze einklappen.
Weil bereits das Zubehörproramm angesprochen wurde: Man kann die Cs auch Kaltwetter-tauglich machen: mittels "Highline-Paket". Das beinhaltet Griff- und Sitzheizung, dazu LED-Tagfahrlicht, LED-Mini-Blinker (nur für den Sportler, nicht für den Touristen) und außerdem Reifendruckkontrolle. Weiters kann man haben eine Knie- und Beinschürze, diverse Windschild-Versionen, Gepäckbrücke, verschiedene Gepäckbehältnisse und Nachrüst-Schalldämpfer.
Die technischen Eckdaten des C 600 Sport:
Viertakt-Parallel-Twin, flüssigkeitsgekühlt, 647 ccm, 60 PS bei 7.500 U/min, max. 66 Nm bei 6000 U/min, Stahl-Brückenrahmen, Alu-Heckrahmen, USD-Gabel (40 mm), linksseitig längs liegendes Zentralfederbein, Einarm-Alu-Schwinge als geschlossener Kettenkasten für den Sekundärantrieb, CVT-Getriebe, 270 mm-Scheibenbremse vorne und hinten, jeweils Doppelkolbenbremszange, 15-Zoll-Räder, v: 120/70 15, h: 160/60 15, Tankinhalt 16 l. Preis: 11.500 Euro.
Die Unterschiede zwischen C 600 Sport und C 600 GT:
Gesamtlänge: 2.155 : 2.218 mm, Gewicht: 249 : 261 kg. Sitzhöhe: 780 : 810 mm. Dazu kommen ausladendere Karosserie, größerer Stauraum (60 l, passt für zwei Integralhelme unter der Sitzbank), verstellbare Fahrersitz-Rückenlehne, elektrisch justierbares Windschild. Preis: 11.850 Euro.
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