Vespa GTV Via Montenapoleone im Test

Piaggio legt mit der Vespa GTV 300 Via Montenapoleone ein neoklassizistisches Sondermodell zu Ehren des Mailänder Prachtboulevards auf.

Mitten im Herzen Mailands befindet sich das Refugium der Reichen und Superreichen, die Einkaufspassage für Besserverdienende, das Herz der italienischen Boulevardpresse: Die Via Montenapoleone. Als Hommage an den von den Einheimischen kurz Montenapò genannten Luxus-Boulevard hat Piaggio das Vespa-Sondermodell GTV Via Montenapoleone aufgelegt, wohl wissend, dass beide in einem ähnlichen Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Weltruf als "Marke" begründet haben.

Dementsprechend erinnert die GTV mit ihrer im Stil der 1950er gehaltenen Formensprache an die Anfänge der Vespa-Geschichte, ob mit dem auf dem vorderen Kotflügel platzierten Scheinwerfer, dem weitgehend unverkleideten Lenker oder der geteilten Sitzbank. Die elegante Silhouette des traditionellen Blechkleides spiegelt ebenfalls die Historie wider. Für den richtigen Glamourfaktor sorgen bei der Monte-GTV funkelnde Chrom-Felgen. Die Lenkerarmaturen aus schwarz glänzendem Kunststoff ernten Lob und Kritik: Der Blinkerschalter ist gut bedienbar, aber wenig schöne Blinddeckel verunzieren die Bedienelemente.

Unter der scheinbar antiquarischen Hülle herrscht modernste Technologie in Form des aktuellen Einspritz-Einzylinders von Piaggio mit 278 ccm Hubraum. Dieser Motor lässt mit schier unbändiger Sprintkraft alle nostalgischen Anwandlungen hinter sich. Bei voll geöffnetem Gasgriff zischt die GTV auf und davon und zeigt den Hinterherblickenden ihr ausladendes Hinterteil mit dem verchromten Gepäckträger zum Aufklappen. Die quirlige Lebendigkeit hält bis Tempo 70, dann geht dem Vierventiler etwas die Luft aus. Im Gegensatz dazu steht der surrende Lüfter, der dem Kühler schon bei moderaten Temperaturen geradezu proletarisch lautstark Frischluft zufächelt - das ist alles andere als standesgemäß. Auch die durch den kleinen Tank recht geringe Reichweite von 220 Kilometern bei herzhafterem Angasen und damit verbundenem Spritkonsum von 4,3 Litern ist lästig. Noch ärgerlicher ist aber die übereifrige Spritwarnleuchte, die je nach Fahrweise bereits nach 110 Kilometern zunächst mit Blinken, danach mit Dauerlicht nachdrücklich zum Nachtanken auffordert.

Und das Tanken ist und bleibt eine Katastrophe: Selbst bei vorsichtigem Befüllen spritzt ein Schwall von Sprit aus der kleinen Öffnung und landet auf dem feinen Zwirn, außerdem hinterlässt aus dem Tank-Überlauf fließendes Benzin einen unschönen Inkontinenz-Fleck unter dem Roller. Genug geärgert: Der Komfort auf dem geteilten Sitzmöbel hält mit den feudalen Wartegelegenheiten in den Edelläden der Montenapo gut mit. Man genießt die Sitzposition mit aufrechtem Oberkörper und entspannt abgewinkelten Knien, dazu die breite Ablage für die feinen Lederschuhe. Im Vergleich zur durchgehenden Bank der GTS sitzt man aber näher und dadurch gedrängter am Lenker. Das ist gut für einen juvenil-aggressiven Fahrstil in der Stadt; der gesetzteren Klientel dürfte das aber zu weit gehen, sie bevorzugt ein eher klassisches Ambiente.

Fahrwerksmäßig bedient das Sondermodell die erste Neigung aufs Beste: Bei ihr geht alles wie von selbst, behende flitzt sie auf kleinen Zwölfzöllern durch jede Lücke und biegt ohne Kraftaufwand fast rechtwinkelig ab (natürlich nur auf Wunsch!). Im Gegenzug lässt sie souveräne Stabilität zugunsten agiler Quirligkeit vermissen. Auf Kopfsteinpflaster schüttelt es die Besatzung ordentlich durch, hier machen sich die knappen und unterdämpften Federwege bemerkbar. Auf solchem Untergrund fällt die Bremsdosierung nicht nur wegen des matschigen Druckpunktes besonders schwer, ungeachtet der insgesamt zufriedenstellenden Wirkung. Was den exorbitanten Preis angeht, halten wir's mit den gut betuchten Besuchern der Via Montenapoleone: Über Geld spricht man nicht.

mid/rkm