2019 starben elf Personen bei 451 Unfällen, die laut Einschätzung der unfallaufnehmenden Exekutive aufgrund von Übermüdung passierten. Heuer waren es bis 13. Dezember fünf Getötete – alle außerhalb des Ortsgebietes (Quelle Statistik Austria, BMI).
"Vermutlich geschehen aber mehr Unfälle durch Übermüdung, geschätzt werden etwa 15 bis 20 Prozent des Unfallgeschehens. So könnten hinter diversen Unfällen, die von der Exekutive mit der Ursache Unachtsamkeit / Ablenkung verbucht wurden, durchaus übermüdete Lenker stecken", erklärt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Insgesamt sind fast 70 Prozent aller Übermüdungsunfälle Alleinunfälle.
Neben Dunkelheit, Dämmerung und Schlechtwetter wirken sich derzeit auch die veränderten Arbeits- und Lebensbedingungen negativ auf unsere Wachheit und Konzentrationsleistung aus. "Diverse Befragungen zeigen, dass Menschen aufgrund der Pandemie-Maßnahmen schlechter schlafen und vermehrt zu schlaf- und beruhigungsfördernden Arzneien greifen", weiß die Expertin des Mobilitätsclubs.
Seidenberger: "Kinderbetreuung im Home-Schooling neben Haushaltsführung und Home-Office führen zu einer Mehrfachbelastung und können eine geringere Erholung im Schlaf bewirken. Zudem fallen gewohnte entspannungsfördernde Ablenkungen nahezu weg, z. B. Urlaube, die Teilnahme an Veranstaltungen, sozialer Austausch und körperliche Betätigungen bei diversen Vereinen." Diese Kombination kann stressverstärkend wirken und zu erhöhten Anspannungen führen – was wiederum bis in den Schlaf hineinwirkt und am nächsten Tag spürbar ist.
Im Straßenverkehr führen Aufmerksamkeits- und Konzentrationseinbußen zu einer Leistungsminderung, was sich vor allem auf Routinestrecken mit einer Zunahme an Fehlern zeigt. "Das richtige Einschätzen von Abständen, die Beachtung geltender Tempolimits, die zeitgerechte Zeichensetzung beim Richtungs- und Fahrspurwechsel und die Einhaltung der Fahrspur werden bei zunehmender Müdigkeit ungenauer und fehlerhafter. Auch die Risikoeinschätzung ist reduziert", warnt die Psychologin davor, Müdigkeit zu unterschätzen.
Achtung bei Freilandfahrten
Besonders groß ist die Gefahr für Übermüdungsunfälle bei Freilandfahrten. Auf Autobahnen, Landes- und Bundesstraßen gibt es kaum Beleuchtung und es sind meist monotonere, längere Streckenabschnitte. Im niederrangigen Streckennetz außerorts tolerieren geringere Fahrbahnbreiten, mehr ungesicherte Randbereiche mit oft schlechteren Markierungen und Fahrbahnzuständen keine Fahr-oder Lenkfehler.
Dazu kommen mehr aufmerksamkeitsfordernde Kreuzungen, oft Gegenverkehr, lange Strecken hinter Lkw, landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Moped- und Radfahrer oder Fußgänger am Fahrbahnrand. "Dieses 'Mischverkehrsaufkommen' fordert absolute Aufmerksamkeit, Wachheit und Konzentration. Müdigkeitsbedingte mangelnde Fahrfitness, gepaart mit fehlendem Risikobewusstsein sind mögliche Einschlafgründe", weiß die Expertin des Mobilitätsclubs.
ÖAMTC-Tipps bei Müdigkeit am Steuer
Prinzipiell sollte man nur ausgeschlafen am Straßenverkehr teilnehmen. Wichtig ist, bereits erste Anzeichen von Müdigkeit ernst zu nehmen. Gähnen, Blend-Empfindlichkeit, brennende Augenlider, häufiges Augenzwinkern, Verspannungen der Schulter- und Rückenmuskulatur und leichte Kopfschmerzen sind Warnsignale des Körpers. Hier die Tipps der ÖAMTC-Expertin:
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Genügend Zeit einplanen
und zu "Wachzeiten" fahren. Das gilt z. B. bei einem neuen Rhythmus durch Änderungen von Route oder Verkehrsmittel – wie durch den Umstieg von Öffis aufs Selbstfahren. "Und wer ein Morgenmuffel ist und trotzdem in der Früh weg muss, sollte sich eine längere Aufwachphase gönnen, um sicher frisch und wach zu sein, bevor das Auto in Betrieb genommen wird", so Seidenberger.
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Powernap
. Wer merkt, dass er müde wird, sollte raus aus dem Fließverkehr und sich auf einem Rastplatz ein kleines Nickerchen gönnen. 20 bis 30 Minuten Schlaf sind für eine kurze Erholung ausreichend.
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Vorsicht vor Kaffee und Energydrinks
. Sie putschen nur kurzfristig auf, verbessern aber nicht die Reaktionszeit. "Wer wirklich müde ist, sollte nicht mehr weiterfahren", betont die ÖAMTC-Verkehrspsychologin.
- Auch wer einen "Einschlafwarner" am Bord hat, ist nicht immer vor Unfällen durch Müdigkeit gefeit. "Warnsignale sind gut, werden aber häufig erst bei hoher Ermüdung des Lenkers abgegeben. Werden sie dann auch noch ignoriert, sind sie wertlos", sagt Seidenberger.
"Wer regelmäßig an Ein- und Durchschlafstörungen leidet, sollte dringend Fachleute aufsuchen und sich derzeit keine Mammutaufgaben aufhalsen lassen – vor allem keine langen Dunkelheitsfahrten”, rät die ÖAMTC-Expertin abschließend.
Quelle: ÖAMTC